Umgebungsbedingte Spannungsrissbildung in Polyethylen: Analyse verschiedener Testmethoden

Publikationen: Thesis / Studienabschlussarbeiten und HabilitationsschriftenMasterarbeit

Abstract

Durch den weltweiten Anstieg von Kunststoffprodukten und -anwendungen und den damit einhergehenden zunehmenden Kunststoffabfällen verschärfte sich die globale Sichtweise in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit verstärkt im letzten Jahrzehnt. Ein Paradebeispiel hierfür ist der Europäische „Green Deal“, welcher die Kreislaufwirtschaft zu einer seiner Hauptprioritäten macht. Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft hat jedoch erhebliche Auswirkungen auf die Abfallwirtschaft und die Wiederverwendung von Materialien. Neue verbindliche Recyclingziele für Kunststoffe – zum Beispiel die Sicherstellung, dass alle Verpackungen auf dem EU-Markt bis 2030 auf wirtschaftlich tragfähige Weise wiederverwendbar oder recycelbar sind – werden zukünftig also zu einer hohen Verfügbarkeit von Rezyklaten führen. Für diese Rezyklate müssen geeignete Anwendungen gefunden werden. Eine Möglichkeit dafür ist etwa die Blasformung von Flaschen und Behältern zur Lagerung und/oder zum Transport von „Non Food“ Inhalten, wie etwa Kosmetika, Haushaltsmittel oder Chemikalien. Allerdings kommt es vor allem durch den Medieneinfluss in solchen Anwendungen oftmals zum vorzeitigen Versagen durch die sogenannte „umgebungsbedingte Spannungsrissbildung“ (Environmental Stress Cracking, ESC).
Aus diesem Grund wurde der Fokus dieser Arbeit auf das Verhalten von verschiedenen Polyethylen (PE)-Typen gegenüber ESC gelegt. Zu diesem Zweck wurden acht verschiedene PE-Typen, darunter vier High-Density Polyethylene (HDPE), zwei Low Density Polyethylene (LDPE) und zwei PE Rezyklate auf die ESC Beständigkeit anhand unterschiedlicher Prüfmethoden und bedingungen getestet. Hierzu wurde ein in der Industrie weitverbreiteter Standardtest für die Ermittlung von ESC von PE ausgewählt – der sogenannte Bell Test (BT, ASTM D1693). Weiteres wurde ein weniger verbreiteter ESC Test, der sogenannte Buckled Plate Test (BPT) nach Chang und Donovan 1989 verwendet. Beide Tests wurden bei unterschiedlichen Temperaturen (50 °C und 80 °C) und Medieneinflüssen (Luft vs. 2 % haltige Lauramin-Oxid Lösung) durchgeführt. Als ergänzender bruchmechanischer Test wurde ein statischer Kompakt-Zugversuch (Compact Tension, CT), zur Ermittlung der Rissausbreitungsgeschwindigkeit angewendet.
Aus der Basischarakterisierung (z.B. Dichte, Schmelzfließrate (MFR), mechanische Kennwerte, etc.) ging hervor, dass die beiden Rezyklate im Vergleich zu den anderen HDPEs anorganische Verschmutzungen in Form von Füllstoffen, oder Fremdpartikeln besitzen. Bei den Fließeigenschaften bestätigten sich, die laut Hersteller angegeben Verarbeitungstypen der einzelnen Materialien. Die mechanischen Eigenschaften haben gezeigt, dass sowohl das Biegemodul, als auch die Biegespannung stark von der Temperatur abhängten. Die Werte der HDPEs lagen jedoch generell höher als jene der LDPEs. Auch die Rezyklate lagen auf dem Niveau der HDPEs.
Bei der Ermittlung der ESC-Beständigkeit ging aus dem BT und BPT hervor, dass die HDPEs die beständigeren Materialien gegenüber den anderen Materialien sind. Die Rezyklate weisen die geringste ESC Beständigkeit in beiden Tests auf. Die ESC-Beständigkeit verschlechterte sich bei Erhöhung der Prüftemperatur mit der Ausnahme von den LDPEs, welche so weit erweichen, dass ein duktiles Versagensbild, anstelle von Spannungsrissen entsteht.
Der bruchmechanische CT-Versuch unterstreicht ebenfalls große Differenzen zwischen den getesteten Materialien und gibt ähnliche Tendenzen im Risswachstumsverhalten wie die ESC Tests wieder. Rezyklate wiesen die höchste Rissausbreitungsgeschwindigkeit auf, während neuwertige HDPEs am resistentesten gegenüber Rissausbreitung waren. Für die LDPEs wurden keine CT Versuche durchgeführt, da diese bei 80 °C zu stark erweichen und keine Messungen im Rahmen der linear elastischen Bruchmechanik möglich sind.
Die in dieser Masterarbeit erzeugten Ergebnisse zeigen, dass der in der Ausführung wenig aufwendige BT einen guten Überblick auf die ESC-Beständigkeit geben kann. Der Nachteil dieser Methode liegt darin, dass die Versagenszeit der einzelnen Prüfkörper stark streuten, was die Beurteilung erschwerte. Der Buckled Plate Test ist im Vergleich aufwendiger, bringt jedoch ähnliche Ergebnisse in der ESC-Beständigkeit wie der BT. Es wurde bei diesem Test eine unterschiedliche Risskinetik im Vergleich zum CT-Test festgestellt, welche den Einfluss des Spannungs- und Dehnungszustand gut wiederspiegelt. Weiteres geht aus dieser Arbeit hervor, dass die getesteten Rezyklate, im Vergleich zu Neuware eine wesentlich schlechtere ESC-Beständigkeit aufwiesen. Somit sollte für gewünschte Produkte und Anwendungen der Rezyklatanteil so geregelt werden, dass ein vorzeitiges Versagen, auch durch die verminderten Eigenschaften des gegebenen Rezyklates, ausgeschlossen werden kann.

Details

Titel in ÜbersetzungEnvironmental Stress Cracking in Polyethylene: Analysis of Different Test Methods
OriginalspracheDeutsch
QualifikationDipl.-Ing.
Gradverleihende Hochschule
Betreuer/-in / Berater/-in
Datum der Bewilligung22 März 2024
DOIs
StatusVeröffentlicht - 2024