Das Mikrolegierungselement Nb spielt bei der Herstellung hochfester niedriglegierter Stähle eine wichtige Rolle, da es die Kornfeinung während des thermomechanischen Herstellungsprozesses durch Ausscheidung feiner Karbide oder Karbonitride maßgeblich beeinflusst. In dieser Arbeit wird daher das Löslichkeitsverhalten von Nb in Abhängigkeit von der Austenitisierungstemperatur zweier mikrolegierter Nb-Ti-Stähle mit Hilfe der Atomsondentomographie untersucht. Zusätzlich werden verschiedene Gefügemerkmale mit unterschiedlichen Ätzverfahren mittels Licht- und Rasterelektronenmikroskopie analysiert. Die Ergebnisse der metallographischen Charakterisierung der mit Nital geätzten Schliffe ergaben, dass im Ausgangszustand ein ferritisch-perlitisches Gefüge vorliegt und keine Unterschiede in den Phasenanteilen und Korngröße zwischen den Legierungen messbar ist. Nach den Wärmebehandlungen liegt überwiegend ein bainitisches Gefüge mit geringem Ferritanteil vor. Die mit einem auf Pikrinsäure basierendem Ätzmittel geätzten Schliffe belegen die erwartete Zunahme der Austenitkorngröße mit steigender Austenitisierungstemperatur. Atomsonden-Messungen zeigen, dass mit steigender Austenitisierungstemperatur mehr Nb gelöst werden kann, wobei die Löslichkeit ab 950°C deutlich zunimmt und sich bei hohen Austenitisierungstemperaturen von 1150°C und darüber einem Plateau nähert. Bei Austenitisierungstemperaturen von 950 und 1050°C ist kein Einfluss des Ti/N-Verhältnisses auf die Nb-Löslichkeit festzustellen. Der Vergleich der gemessenen Ergebnisse mit dem theoretischen Löslichkeitsprodukt nach Irvine zeigt zunehmende Abweichungen bei Austenitisierungstemperaturen oberhalb von 950°C, die dadurch erklärt werden können, dass dieses Modell weder das Vorhandensein von komplexen (Nb,Ti)(C,N)-Ausscheidungen noch die Größe oder Verteilung der Ausscheidungen berücksichtigt.